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Der Technologiekonzern Siemens will die Emissionen von IT-Technologie senken. Großes Potenzial sieht Expertin Carolin Rubner bei der Softwareentwicklung. Ihr Appell: Die Effizienz von Anwendungen muss im Fokus stehen.
Studien zufolge verursacht Informations- und Kommunikationstechnologie bis zu vier Prozent des weltweiten Ausstoßes von Treibhausgasen – etwa so viel wie der globale Flugverkehr. „Dieser Anteil wird mit der fortschreitenden Digitalisierung und dem Aufkommen neuer Technologien wie Künstlicher Intelligenz oder dem Metaverse weiter steigen“, warnt Carolin Rubner, Leiterin einer Forschungsgruppe zu grüner Software bei Siemens. Höchste Zeit also, gegenzusteuern.
Zwar arbeiten Technologiekonzerne wie Siemens längst an energieeffizienter Hardware – aus Klimaschutz- wie Kostengründen. Doch ohne die passende Software bleibe Potenzial ungenutzt, erklärt Rubner: „Die Hardware bildet die Infrastruktur für unsere Software, ähnlich wie Straßen für Autos. Kleinere Autos brauchen keine großen, breiten Straßen – und kompakte Software benötigt keine starke, energiefressende Hardware.“ Die Entwicklung von Software, die einen geringeren CO2-Ausstoß verursacht, sei ein entscheidender Schritt, um das Wachstum des IT-Sektors in nachhaltigere Bahnen zu lenken.
Grün ist eine Software dann, wenn sie effizient arbeitet und keine unnötigen Ressourcen verbraucht. Doch wie lässt sich das erreichen? Rubner nennt verschiedene Maßnahmen: Algorithmen, die unnötige Kalkulationen vermeiden, sparen Rechenleistung. Softwarearchitekturen, die Informationen nicht doppelt speichern oder abfragen, reduzieren den Speicherplatzbedarf und minimieren die Zahl der Datenbankabfragen. All das spart Energie.
Besonders genügsame Anwendungen ermöglichen einen weiteren Spartrick: „Indem wir mehrere Anwendungen auf einem einzigen Server laufen lassen, können wir den Ressourcenbedarf weiter senken“, erklärt Rubner. Eine zusätzliche Möglichkeit, CO2-Emissionen zu reduzieren: Rechenvorgänge, die nicht zeitkritisch sind, lassen sich auf Zeiten verschieben, in denen Strom aus Windkraft oder Solarenergie im Überfluss zur Verfügung steht.
Diese Überlegungen bedeuten einen Paradigmenwechsel. Denn die Anbindung an Cloud-Server hat der IT-Infrastruktur von Unternehmen zwar ungeahnte Flexibilität beschert, doch die nahezu unbegrenzte Verfügbarkeit von Rechenleistung und Speicher hat auch eine Kehrseite: „Sparsamkeit gerät schnell in Vergessenheit, wenn Ressourcen im Überfluss vorhanden sind“, sagt Rubner.
Infolgedessen beanspruchen viele Software-Anwendungen mehr Ressourcen als tatsächlich nötig, mit negativen Folgen für Klima und Unternehmensbilanz. So konnte Siemens die Cloud-Nutzung im Rahmen eines Healthcare-Projekts durch optimierte Softwarekonfigurationen erheblich reduzieren. „Wir nennen das ‚Rightsizing‘, weil wir die Ressourcen auf die für das Projekt richtige Größe anpassen“, erklärt Rubner. Ein Schritt, der in diesem Fall 1.000 Dollar einsparte – pro Tag.
Der Technologiekonzern Siemens, der bis 2030 CO2-neutral arbeiten will, sieht sich hier in einer Vorbildfunktion. „Anstatt Software zu entwickeln, die Ressourcen verschwendet, müssen wir zeigen, wie es besser geht“, betont Rubner. Siemens hat daher begonnen, die Prinzipien grüner Softwareentwicklung in verschiedenen internen Kommunikationskanälen zu verankern, darunter regelmäßige Ergebnispräsentationen, Konferenzen und Newsletter.
Die offene digitale Business-Plattform Siemens Xcelerator – ein Baukasten aus Software- und Hardware-Angeboten – hilft auch Siemens-Kunden und -Partnern, nachhaltiger zu werden. Dazu hinterlegen Experten häufig gebrauchte, bereits auf Nachhaltigkeit getrimmte Software-Module in internen Datenbanken, damit Entwickler sie künftig standardmäßig einsetzen können. Ergänzend kommen Tools zum Einsatz, die den CO2-Ausstoß eines Programmcodes ermitteln und graphisch darstellen. „Eine Kontrollmöglichkeit und ein zusätzlicher Anreiz für unsere Entwickler, nachhaltig zu arbeiten“, erklärt Rubner.
Bisher waren solche Messungen über Unternehmensgrenzen hinweg kaum vergleichbar, da es an verbindlichen Standards fehlte. Um dies zu ändern, engagiert sich Siemens gemeinsam mit anderen Branchengrößen wie Microsoft, Thoughtworks, Github oder Google in der Green Software Foundation. Ein erster Meilenstein: die „Software Carbon Intensitiy Specification“, ein international anerkannter Standard für die Angabe der Kohlenstoffintensität von Software. Dieser legt fest, wie Energieverbrauch, Speicherbedarf und Datenübertragung zu erfassen und bewerten sind.
Weitere Normen, die etwa auch Emissionen bei der Entwicklung in den CO2-Fußabdruck einer Softwarekomponente einbeziehen, sollen folgen. „Dadurch werden wir in der Lage sein, das Emissionsprofil von Software ebenso routinemäßig zu erfassen, wie wir es heute bei vielen physischen Produkten tun“, erklärt Rubner. Denkbar sei sogar ein Label für Software, das eine Einteilung ähnlich den Energieeffizienzklassen bei Haushaltsgeräten bietet – als Orientierungshilfe für Unternehmen und Verbraucher.
Die Bemühungen von Siemens und seinen Partnern in der Green Software Foundation gehen aber noch weiter. Schulungen sollen möglichst viele Entwickler befähigen, ihre Software klimafreundlich zu gestalten. Ein Angebot, das gut angenommen wird: 80.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmer haben die Fortbildung „Green Software for Practitioners“ nach Angaben von Siemens bereits absolviert. Rubner wünscht sich noch mehr Teilnehmer, die künftig einen Beitrag zum Klimaschutz leisten. Die Expertin ist optimistisch: „Es kann uns gelingen, die Digitalisierung vom CO2-Treiber zum Motor für eine nachhaltige Zukunft zu machen.“
Erfahren Sie mehr über...
→ Software-Expertin Carolin Rubner