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Warum grüne KI zur strategischen Notwendigkeit für Unternehmen wird und wie sich mit intelligenter Technologie bis zu 50 Prozent CO₂ einsparen lassen.
Künstliche Intelligenz ist auf dem Weg, das Betriebssystem der Weltwirtschaft zu werden. Doch mit steigender Rechenleistung wächst auch ihr Energiehunger. Das Training eines einzigen großen KI-Modells kann heute so viel CO₂ ausstoßen wie mehrere Autos über ihre gesamte Lebensdauer hinweg.
„Künstliche Intelligenz tritt mit Systemen, die selbstständig lernen, argumentieren und entscheiden können in eine transformative Phase ein“, sagt Ashiss Kumar Dash, EVP & Global Head – Services, Utilities, Resources, Energy & Enterprise Sustainability bei Infosys. „Aber je mehr sie Teil globaler Infrastrukturen wird, desto stärker steigen Energieverbrauch und Emissionen. Unternehmen müssen jetzt handeln, um ihre Zukunftsfähigkeit zu sichern.“
Nachhaltige oder „grüne“ KI ist für Dash deshalb kein Nischenthema mehr, sondern ein strategischer Imperativ. Nicht zuletzt wird diese Entwicklung auch von regulatorischen Vorschriften, Investoren und Verbrauchern getrieben, die mehr Transparenz verlangen.
Wie groß der Hebel nachhaltiger Technologien ist, zeigen aktuelle Erkenntnisse aus dem Infosys Research Lab: Durch eine Kombination aus optimierten Rechenumgebungen, energieeffizienter Hardware und intelligenten Algorithmen lassen sich bei gleichbleibender Rechenleistung bis zu 40 Prozent Energie und 50 Prozent CO₂ einsparen.
Zu den wirksamsten Hebeln zählen laut Infosys:
Diese neuen Chip-Architekturen orientieren sich an der Funktionsweise des menschlichen Gehirns oder nutzen Prinzipien der Quantenphysik, um Rechenoperationen deutlich energieeffizienter auszuführen.
Bei der Modellkompression werden neuronale Netze so verdichtet, dass sie weniger Speicher und Rechenleistung benötigen, ohne an Genauigkeit zu verlieren. Federated Learning wiederum erlaubt es, KI-Modelle dezentral zu trainieren, also direkt auf den Endgeräten statt in zentralen Serverfarmen. Das senkt sowohl den Datenverkehr als auch den Energieverbrauch.
Immer mehr Unternehmen betreiben ihre Serverfarmen mit Solar-, Wind- oder Wasserkraft. Diese Umstellung reduziert den CO2-Ausstoß der Systeme über den gesamten Lebenszyklus hinweg.
Bei diesem Konzept werden Rechenprozesse automatisch auf Zeiten verlegt, zu denen viel grüner Strom im Netz verfügbar ist. So kann KI ihre Aufgaben dann ausführen, wenn der ökologische Einfluss am geringsten ist
„Diese Maßnahmen sind keine Theorie“, sagt Dash. „Sie werden bereits mit messbarem Effekt auf Energieverbrauch, Kosten und Markenreputation umgesetzt.“
Doch nachhaltige KI birgt auch ein Risiko, den sogenannten Rebound-Effekt: Mit jeder Effizienzsteigerung sinken die Kosten für Rechenleistung. Dadurch steigt der Anreiz, noch mehr zu berechnen. Deshalb warnt Ashiss Kumar Dash: „Effizienz allein genügt nicht. Wir müssen von mehr Datenverarbeitung zu sinnvoller Datenverarbeitung gelangen. Jede Rechenoperation sollte auch unter Nachhaltigkeitsgesichtspunkten bewertet werden.“
Um absolute Reduktionen zu erreichen, brauche es klare Governance-Regeln, eine größere Transparenz zum CO₂-Ausstoß und eine gezielte Priorisierung nachhaltiger Workloads. Konsequent umgesetzt, seien sogenannte Circular-AI-Systeme denkbar, die auf Wiederverwendung und Ressourcenschonung ausgelegt sind, sagt Dash. Doch wie lässt sich die Energieeffizienz einer KI überhaupt bestimmen?
Damit Green AI kein Lippenbekenntnis bleibt, entwickelt die Branche verschiedene Messgrößen. Unternehmen wie Infosys setzen dabei auf Kennzahlen wie Performance per Watt (Energieeffizienz von KI-Workloads), Carbon Intensity per Model (Emissionen während Training und Nutzung), E-Waste-Volumen (Ressourceneinsatz und Entsorgungsfolgen) und Lifecycle Impact Assessments (gesamter ökologischer Fußabdruck eines Modells). Langfristig könnten diese Indikatoren so selbstverständlich werden wie die CO₂-Bilanz im Geschäftsbericht.
Dass Green AI nicht nur Umweltvorteile bringt, sondern auch betriebswirtschaftlich sinnvoll ist, zeigt ein Beispiel aus der Praxis: Infosys betreibt Rechenzentren mit erneuerbaren Energien, die durch intelligente Lastverteilung, Echtzeitüberwachung und energiesparende Hardware deutlich umweltschonender arbeiten als andere Serverfarmen.
Der Blick nach vorn lässt kaum Zweifel: Green AI wird in den kommenden fünf Jahren vom Wettbewerbsvorteil zum Mindeststandard für jedes ernsthafte KI-Projekt. „Die Kombination aus regulatorischem Druck, steigenden Energiekosten und gesellschaftlicher Erwartung wird Nachhaltigkeit zu einer nicht verhandelbaren Voraussetzung für KI-Projekte machen“, ist Ashiss Kumar Dash überzeugt.
Green AI markiert den Beginn einer neuen Verantwortungskultur im Technologiesektor. Unternehmen, die Nachhaltigkeit bereits heute in ihre KI-Architektur integrieren, sichern sich nicht nur regulatorische Vorteile. Sie gestalten die Zukunft einer Wirtschaft mit, die Innovation und Klimaschutz in Einklang bringt.
