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Künstliche Intelligenz (KI) ist in deutschen Unternehmen angekommen – zumindest auf dem Papier. Erste Use Cases sind umgesetzt, doch der Weg zur breiten Nutzung bleibt steinig. Wie er gelingt, zeigt ein aktueller Trend Report des Handelsblatt Research Instituts in Kooperation mit IT-Dienstleister Infosys.
Wie Künstliche Intelligenz Prozesse effizienter gestalten kann, zeigt ein aktueller Report.
Foto: Adobe Stock
Wo steht Deutschlands Wirtschaft beim Einsatz von Künstlicher Intelligenz? Antworten liefert die Studie „Enterprise AI“ von Infosys und dem Handelsblatt Research Institute, basierend auf einer Umfrage unter 307 Entscheidern. Ergänzt wird die Analyse durch Stimmen aus der Praxis: Jens Hachmeister von der Deutschen Börse, Arlene Bühler von DB Cargo und Susan Linden von der Lufthansa Group schildern ihre Erfahrungen mit KI im Unternehmensalltag.
Die gute Nachricht: Die Euphorie rund um generative KI hat Bewegung in die Unternehmenslandschaft gebracht. So haben 84 Prozent der befragten Entscheider bereits eine KI-Strategie formuliert – entweder als eigenständiges Konzept oder integriert in die IT- oder Unternehmensstrategie. Besonders aktiv sind Firmen in den Bereichen IT, Kommunikation und Datenanalyse.
Hier lassen sich Prozesse vergleichsweise leicht automatisieren, etwa durch Chatbots, Textgenerierung oder Mustererkennung. Doch die meisten Anwendungen bleiben punktuell und isoliert. Komplexere, skalierbare Lösungen, etwa in der strategischen Entscheidungsfindung oder im Supply Chain Management, sind bislang die Ausnahme.
Dabei ist das Potenzial enorm. Unternehmen wie Lufthansa, DB Cargo, Audi oder Zalando nutzen KI bereits produktiv: zur Optimierung von Wartungszyklen, zur Nachfrageprognose oder für personalisierte Kundenansprache. Im Finanzsektor bei der Deutschen Börse und der Allianz oder im Einzelhandel, etwa bei Starbucks, entstehen zunehmend KI-gestützte Geschäftsmodelle.

Der Weg dorthin beginnt mit der Identifikation geeigneter Use Cases. Arlene Bühler, CIO/CDO von DB Cargo, betont die enge Zusammenarbeit mit den Fachbereichen: „Ausgangspunkt ist eine Übersicht aller Prozesse. Dort wird geschaut, wo es Verbesserungsmöglichkeiten gibt, die mit den Schmerzpunkten – also dem Verbesserungsbedarf – der Fachbereiche abgeglichen werden.“
Ebenso entscheidend ist, wie gut sich Technologie und Geschäftsmodell verzahnen lassen. Jens Hachmeister, Managing Director bei der Deutschen Börse, beschreibt ein dreistufiges Vorgehen: „Am Anfang steht eine Explorationsphase, in der wir eruieren, was die Technologie leisten kann – und was nicht.“ Darauf folge die Analyse, welchen Einfluss KI-Anwendungen auf einzelne Prozesse und das Geschäftsmodell insgesamt haben. In der dritten Phase werde die Lösung realisiert.
Eine erfolgreiche Implementierung setzt zudem passende Governance-Strukturen und ethische Leitlinien voraus: KI-Systeme müssen transparent, fair und datenschutzkonform arbeiten. Sogenannte „Responsible AI“ entwickelt sich zum Wettbewerbsfaktor – nicht nur wegen der Vorgaben des EU AI Act, sondern auch, weil das Vertrauen von Kunden und Mitarbeitern in die Technologie nach Einschätzung der Studienautoren entscheidend ist.
Dies gilt besonders für die nächste Evolutionsstufe: Agentic AI. Diese Systeme reagieren nicht nur, sondern können komplexe Abläufe selbstständig ausführen. Der Chemiedistributor Brenntag etwa setzt die Technologie bereits ein. Dort erstellt ein KI-Agent Vertriebsdossiers, die vor Kundenterminen relevante Informationen aus E-Mails, Bestellungen und CRM-Systemen zusammenführen.
Die deutsche Wirtschaft blickt trotz vieler Vorteile insgesamt ambivalent auf Agentic AI: 61 Prozent der Befragten sehen sie als Zukunftstechnologie, zugleich halten 72 Prozent den hohen Autonomiegrad für zu riskant, um sie in allen Unternehmensbereichen einzusetzen.
Dabei existieren konkrete Maßnahmen, um Risiken zu kontrollieren: Die Studie nennt etwa „Human-in-the-loop“-Mechanismen, technische Robustheit, Notfallpläne bei Fehlverhalten, transparente Entscheidungsfindung und eine saubere Datenbasis, um diskriminierende Verzerrungen zu vermeiden.

Doch der KI-Einsatz erfordert nicht nur organisatorische Anpassungen, sondern auch kulturellen Wandel. Erfolgreich sein könne nur, wer Akzeptanz für die Technologie schaffe, betont Susan Linden, Vice President Core IT bei Lufthansa. Ihr Rat: „Beschäftigte sollten nicht am Rand stehen, sondern aktiv in den Wandel eingebunden werden und die Möglichkeit haben, eigene Ideen einzubringen.“ Künstliche Intelligenz sei kein Tool, das sich einfach installieren und nutzen lasse – sie verändere die Art, wie Unternehmen arbeiten.
Die Studienautoren teilen diese Einschätzung: Die Skalierung von Pilotprojekten zur unternehmensweiten Anwendung stellt für sie die zentrale Herausforderung der kommenden Jahre da. Erfolg bemesse sich nicht allein an Kosteneffekten, betonen sie. Entscheidend sei vielmehr, dass der KI-Einsatz Innovation ermögliche, Prozesse verbessere und neue Geschäftsmodelle hervorbringe.
So wird Künstliche Intelligenz zum Fundament der Wettbewerbsfähigkeit in einer zunehmend datengetriebenen Wirtschaft. Unternehmen sollten nicht zögern, sondern jetzt handeln, mahnen die Autoren. Sie teilen die Einschätzung einer überwiegenden Mehrheit der befragten Entscheiderinnen und Entscheider: Wer KI frühzeitig und effektiv einsetzt, verschafft sich strategische Vorteile – während die anderen abgehängt werden.
