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Diversity in Unternehmen

Vielfalt ist kein Selbstzweck – sie ist wirtschaftlich relevant

Schwere Zeiten für Diversity in Unternehmen? Eva Voss, Vorstandsvorsitzende von Charta der Vielfalt und Managerin bei BNP Paribas, und Gérard Richter, Senior Partner bei McKinsey & Company, erklären, warum das Thema gerade jetzt nicht von der Agenda verschwinden darf.

Unternehmen mit mehr Frauen in den Führungsteams haben laut der McKinsey-Studie „Diversity Matters even more“ eine um 39 Prozent höhere Chance auf überdurchschnittliche Gewinne. In Europa ist dieser statistische Zusammenhang mit einer 60 Prozent höheren Wahrscheinlichkeit sogar deutlich stärker ausgeprägt als im weltweiten Durchschnitt.

Dennoch bleiben die Chancen, die in Diversity-Programmen liegen, oftmals ungenutzt. Das ist ein schwerer Fehler, sagen Dr. Eva Voss und Gérard Richter. Voss ist Vorstandsvorsitzende des Vereins Charta der Vielfalt und bei der Großbank BNP Paribas unter anderem Head of Diversity, Inclusion & People Care für Deutschland und Österreich. Richter ist Technologieexperte und Leiter des Life-Sciences-Sektors McKinsey in Deutschland und berät als Senior Partner Unternehmen verschiedener Branchen bei ihren Transformationsprozessen. Im Interview sprechen beide über die Chancen von Diversity-Initiativen, ihre strategische Verankerung und Beispiele aus der Praxis.

Herr Richter, Frau Voss, Unternehmen, die sich für Diversity, Equity & Inclusion (DEI) engagieren, haben es derzeit nicht leicht. In den USA haben namhafte Unternehmen ihre Programme unter politischem Druck gestrichen oder heruntergefahren. Wie nehmen Sie die Lage in Europa wahr?
 

Gérard Richter ist Technologieexperte und Leiter des Life-Sciences-Sektors McKinsey in Deutschland.

Gérard Richter: Unsere europäischen Klienten halten an ihren Inklusionsstrategien fest, teils sogar mit noch mehr Nachdruck. Viele gehen über klassische Diversity hinaus und setzen auf echte Inklusion. Das ist nicht nur gesellschaftlich sinnvoll, sondern auch wirtschaftlich: Studien zeigen, dass diverse Führungsteams eine bis zu 60 Prozent höhere Wahrscheinlichkeit haben, überdurchschnittlich profitabel zu sein.
Eva Voss: Der Bedeutungsverlust in den USA ist bedauerlich, aber nicht eins zu eins auf Europa oder Deutschland übertragbar. Wir haben hierzulande einen massiven Fachkräftemangel. Das ist ein struktureller Treiber für mehr Inklusion – und nicht für weniger. Anstatt den Vergleich mit den USA anzustellen, sollten sich Unternehmen hierzulande fragen: Was ist mein Einflussbereich? Was kann ich tun, um konkrete Diversitäts-Ziele in meiner Organisation zu erreichen?

Trotzdem spüren auch europäische Unternehmen politischen Druck. Wie lässt sich dieser Spagat zwischen Haltung und Realität meistern?
Eva Voss: Ich beobachte zwei Vorgehensweisen: Zum einen benennen Unternehmen ihre Programme einfach um. Das heißt nicht, dass sie aufhören. Zum anderen hinterfragen sie ihre Maßnahmen kritisch: Was bringt wirklich etwas? Diversität darf kein Selbstzweck sein. Wenn Programme keinen Impact haben, sollten sie überarbeitet oder eingestellt werden. Am wirkungsvollsten ist es, in den Maschinenraum einer Organisation zu gehen und etwa bei Beförderungs- und Einstellungsprozessen oder bei Sponsorships und weiteren Engagements anzusetzen.
Gérard Richter: Inklusion und Diversität werden gern als weiche Themen gesehen, lassen sich aber an harten Kennzahlen festmachen. Recruiting-Ergebnisse, Beförderungsquoten, Zufriedenheit der Mitarbeitenden – all das lässt sich messen. Und: Unternehmen mit gelebter Vielfalt werden mit höherer Innovationskraft, besserer Mitarbeiterbindung und positiverer Kapitalmarktwahrnehmung in Verbindung gebracht. Diesen Zusammenhang konnten wir in Studien wiederholt feststellen.

Was sagen Sie Führungskräften, die DEI skeptisch gegenüberstehen und sich fragen, warum sie sich diesem Thema zuwenden sollten?
Gérard Richter: Ich kann mir keine gute Führungskraft vorstellen, die die Fakten ignoriert. Vielfalt kann ein Wettbewerbsvorteil sein – viele Analysen legen nahe, dass Unternehmen mit stärkerer Diversität bessere Marktchancen haben können. Wer das nicht erkennt, verpasst Chancen.
Eva Voss: Ich würde die Gegenfrage stellen: Was kostet es dich, es nicht zu tun?

Dr. Eva Voss ist Vorstandsvorsitzende des Vereins Charta der Vielfalt und bei der Großbank BNP Paribas unter anderem Head of Diversity, Inclusion & People Care für Deutschland und Österreich

Bei „The Spark – Der deutsche Digitalpreis“ wurden die Diversity-Dimensionen der Charta der Vielfalt zur Grundlage für den DEI-Accelerator-Award. Warum ist dieser Kriterienkatalog so wichtig?
Eva Voss: Weil unsere Gesellschaft so vielfältig ist. Unternehmenskulturen spiegeln das oft nicht wider. Die Charta hilft, Vielfalt breiter zu denken: Geschlecht, Alter, Behinderung, soziale Herkunft. Intersektionalität ist entscheidend. Eine Frau mit Behinderung hat beispielsweise andere Herausforderungen als eine ohne. Das Reifegradmodell der Charta zeigt Unternehmen zudem, wo sie stehen und was sie tun können.
Gérard Richter: Und genau deshalb haben wir die Dimensionen der Charta der Vielfalt auch in den The Spark-Award integriert. Vielfalt umfasst mehr als Gender und Ethnie. Ein ganzheitlicher Ansatz fördert Innovation und Unternehmenskultur. Die ausgezeichneten Unternehmen zeigen: Es lohnt sich, in das Thema DEI zu investieren.

Wie gelingt die strategische Verankerung von DEI?
Gérard Richter: Die strategische Verankerung gelingt nur, wenn DEI in die Governance eingebunden ist, also in die Kapitalmarktkommunikation, in die Investitionsprogramme und in die Vorstands- und Aufsichtsratsagenda. Unternehmen, die das ernst nehmen, sind resilienter, innovativer und langfristig erfolgreicher.
Eva Voss: Absichtserklärungen reichen nicht mehr. Unternehmen brauchen konkrete Maßnahmen – etwa in Recruiting, Weiterbildung oder Führung. Es geht darum, Prozesse zu hinterfragen: Muss man für eine Stelle wirklich Deutsch sprechen können? Und wie können wir auch ältere Mitarbeitende oder Menschen mit chronischen Erkrankungen einbinden?

Können Sie Beispiele nennen, wie Unternehmen Vielfalt sinnvoll und wirksam umsetzen?
Eva Voss: Schauen wir einmal auf Handwerksbetriebe. Manche stellen auf die Vier-Tage-Woche um – nicht aus ideologischen Gründen, sondern weil sie schlicht nicht genug Personal finden. Die jüngere Generation sagt: Zeit ist mir wichtiger als Geld. Das zeigt, wie sich Lebensrealitäten verändern und Unternehmen reagieren müssen.
Ein anderes Beispiel: Wir nehmen unsere soziale Verantwortung als Unternehmen sehr ernst. Deswegen evaluieren wir immer wieder, wie wir Menschen, die nicht den klassischen Bildungsweg verfolgt haben, eine Perspektive geben und berufliche Chancen eröffnen können. Durch gezielte Qualifizierungsprogramme und partnerschaftliche Kooperationen mit Vereinen und Verbänden versuchen wir, realistische Einstiegsmöglichkeiten in den Arbeitsmarkt zu schaffen. 
Noch ein Beispiel: Unmittelbar nach Kriegsausbruch in der Ukraine haben wir innerhalb kürzester Zeit unsere Stellenprofile einer gründlichen Analyse unterzogen und dabei gezielt Positionen identifiziert, die international zu besetzen sind und in denen solide Englischkenntnisse ausreichen. So konnten wir 90 Arbeitsplätze speziell für ukrainische Geflüchtete schaffen. Dieses rasche Handeln unterstreicht unser Engagement, flexibel und solidarisch dort zu unterstützen, wo traditionelle Bildungsstrukturen nicht ausreichen, um Menschen eine sichere Zukunft zu ermöglichen. 
Die Beispiele zeigen, dass Vielfalt bedeutet, Lebensphasen und Lebensentwürfe ernst zu nehmen – und nicht nur Programme aufzusetzen, die gut aussehen, aber wenig bewirken.
Gérard Richter: Vielfalt ist kein Etikett, sondern eine Frage der unternehmerischen Realität. Wenn wir die Strukturen nicht anpassen, verlieren wir Talente – und damit Innovationskraft. Unternehmen, die das verstanden haben, sind langfristig erfolgreicher.

Danke für das Gespräch.

 

Hintergrund-Informationen: DEI Accelerator Award
Der DEI Accelerator Award unter dem Dach von The Spark – Der deutsche Digitalpreis (initiiert von Handelsblatt und McKinsey) zeichnet jährlich herausragende DEI-Initiativen im Tech-Sektor aus. Bewertet werden Programme, die messbare Wirkung entfalten und sich an den sieben Dimensionen der Vielfalt des Charta der Vielfalt e. V. orientieren.
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