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Viele Unternehmen setzen auf Künstliche Intelligenz (KI). Doch laut Analyse des Infosys Knowledge Institute erfüllen nur rund 20 Prozent der KI-Anwendungen alle Erwartungen. Woran das liegt – und wie es besser geht.
Foto: Adobe Stock
Die Zeit der Experimente ist vorbei: 2025 wird zum Jahr der Skalierung von Künstlicher Intelligenz – so lautet eine der zentralen Aussagen im aktuellen „AI Business Value Radar“ des Infosys Knowledge Institute (IKI). Die Denkfabrik des AI-first-Unternehmens Infosys hat für ihre Analyse knapp 3.800 Führungskräfte großer Unternehmen auch aus Deutschland befragt. Das Ergebnis: KI ist längst in der Breite angekommen, doch der tatsächliche geschäftliche Mehrwert bleibt häufig hinter den Erwartungen zurück.
Worin die Ursachen dafür liegen, erläutert Andrea Hendrickx, Country Head von Infosys Germany und Executive Board Member der Infosys Germany Holding GmbH: Ein zentraler Grund sei der fehlende strategische Blick vieler Unternehmen. „Sie fokussieren sich auf das Management einzelner KI-Anwendungen, ohne deren konkreten Beitrag zur Wertschöpfung zu erfassen und die Gesamtorganisation anzupassen“, erklärt sie. Ihnen fehlten dadurch Synergieeffekte sowie Möglichkeiten, erkannte Effizienzpotenziale konsequent zu nutzen. Unternehmen sparen also zwar beispielsweise in einzelnen Abläufen Arbeitszeit, können den Effekt aber nicht monetarisieren. Im Ergebnis rechnet sich der KI-Einsatz nicht.
Doch es geht auch anders – unter bestimmten Voraussetzungen. Eine davon besteht laut Infosys-Analyse darin, dass Unternehmen substanzielle Investitionen in mehrere Anwendungsfelder tätigen. „Gerade bei der Einführung von KI-Programmen ist es entscheidend, eine Vielzahl von Use Cases gleichzeitig zu entwickeln“, erklärt Deutschlandchefin Hendrickx. Denn der finanzielle Aufwand etwa für die nötigen Plattformen und Sicherheitsmaßnahmen lohnt sich nur, wenn er sich auf verschiedene Bereiche verteilt.
Ebenfalls wichtig – und oft unterschätzt – ist das Engagement der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Denn laut IKI-Analyse zählt es zu den entscheidenden Erfolgsfaktoren. Überraschende Erkenntnis: Unternehmen, die ihre Belegschaft nur halbherzig einbeziehen, schneiden schlechter ab als solche, die es gar nicht versuchen. "Wer KI-Lösungen bereitstellt, aber Training und aktive Unterstützung vernachlässigt, erlebt oft Resignation statt Innovation – die Kosten für die Tools fallen aber trotzdem an", berichtet Hendrickx aus der Beratungspraxis.
Unabdingbar für die breite Akzeptanz von Künstlicher Intelligenz ist zudem der verantwortungsvolle Umgang mit der Technologie. Laut Analyse profitieren Unternehmen besonders, wenn sie frühzeitig eine zentrale Taskforce einrichten, die Datenschutz, Transparenz und ethische Standards koordiniert. Das stärkt nicht nur das Vertrauen der Mitarbeitenden, sondern reduziert auch regulatorische Risiken.
Entscheidend für den nachhaltigen Erfolg ist jedoch, den KI-Einsatz mit einer umfassenden Transformation zu verbinden. Denn eine hohe Wahrscheinlichkeit, Geschäftsziele zu erreichen, weisen vor allem jene Anwendungsfälle auf, die tief in das operative Geschäft eingreifen – etwa KI-gestützte Schadenregulierung im Versicherungswesen, intelligente Navigationssysteme in der Logistik oder automatisierte Energiehandelsplattformen. Diese Anwendungen erfordern umfassende Anpassungen von Datenarchitektur, Geschäftsprozessen und Betriebsmodellen.
Das gilt auch für eine besonders vielversprechende Technologie: agentenbasierte Künstliche Intelligenz. Dabei handelt es sich um spezialisierte, autonome KI-Agenten, die Aufgaben eigenständig erledigen, Entscheidungen treffen und sich gegenseitig koordinieren. "Sie markieren die nächste Evolutionsstufe der Automatisierung", erklärt Hendrickx. Im Gegensatz zu klassischen Bots integrieren sich Agenten flexibel in bestehende IT-Systeme, lernen aus jedem Durchlauf und passen ihre Abläufe dynamisch an.
Konkret heißt das: Ein Ziel wie die Buchung einer Rechnung wird in Einzelschritte zerlegt, die verschiedene Agenten übernehmen. Eine Orchestrierungs-Engine steuert die Abläufe, während ein Memory-Layer Erfahrungen speichert und für künftige Optimierungen nutzt. Hendrickx ist überzeugt: „Diese Technologie wird das Rückgrat moderner Unternehmen bilden – eine Revolution, vergleichbar mit der Einführung von ERP-Systemen vor 20 Jahren."
Da die Kosten für KI-Anwendungen rapide sinken, könnten bald auch bislang unrentable Anwendungsfälle – etwa im Marketing oder Kundenservice – wirtschaftlich attraktiv werden. Für Aufmerksamkeit sorgte etwa der chinesische Anbieter DeepSeek, der im Januar 2025 ein Sprachmodell präsentierte, das nur sechs Prozent der Trainingskosten eines vergleichbaren Modells des ChatGPT-Anbieters OpenAI verursacht. Ein Forschungsteam der Universität Berkeley ging noch weiter und rekonstruierte die Kernfunktionalität für gerade einmal 30 US-Dollar.
Vor allem kleinere Betriebe können von diesem Preisverfall profitieren. Doch Hendrickx warnt: "Günstige KI-Modelle ersetzen nicht den notwendigen Wandel im Unternehmen. Wer nicht breit investiert, Mitarbeitende nicht mitnimmt und seine Organisation nicht anpasst, wird keinen nachhaltigen Erfolg erzielen." Die gute Nachricht: Wer sich der Herausforderung stellt, hat beste Chancen auf einen echten Wettbewerbsvorteil. Der Weg zum Erfolg ist auch mit Künstlicher Intelligenz kein Spaziergang – aber er ist machbar.