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Veröffentlicht am 08.05.2025
Europa steht vor einer gewaltigen Aufgabe: Das ambitionierte Ziel von Klimaneutralität bis 2050 kann nur erreicht werden, wenn alle Sektoren ihre CO₂-Emissionen effektiv reduzieren. Die Industrie steht dabei vor besonderen Herausforderungen. Trotz einer Vielzahl an Maßnahmen zur Emissionsreduzierung industrieller Prozesse, wie die Steigerung der Energieeffizienz oder der Elektrifizierung von Prozessen, gibt es sogenannte „schwer oder nicht vermeidbare Emissionen“. Schwer vermeidbare Emissionen entstehen in energieintensiven Industrien, die einen so hohen Energiebedarf haben, dass eine vollständige Elektrifizierung nicht oder nur zu unwirtschaftlich hohen Kosten möglich ist. Unvermeidbare Emissionen lassen sich hingegen mit heutigen Methoden gar nicht auf null reduzieren, da die Emissionen aufgrund des Herstellungsprozesses anfallen.
Besonders die Produktion von Zement und Stahl sowie die Grundstoffchemie tragen erheblich zu den jährlichen CO₂-Emissionen bei. Allein die Emissionen der Zementindustrie belaufen sich in Deutschland auf 20 Millionen Tonnen.[1]Die Stahlindustrie ist hierzulande für etwa 30 Prozent aller Industrieemissionen verantwortlich, die Zement- und Chemieindustrie ebenfalls für etwa 30 Prozent.[2] Für diese Industrien bedeutet es einen enormen Kraftakt, bis zur Mitte des Jahrhunderts die deutschen und europäischen Klimaziele zu erreichen. Hier kommt CO₂-Abscheidung und Speicherung (Carbon Capture and Storage, CCS) ins Spiel, eine Technologie, die es ermöglicht, CO₂ direkt an der Quelle abzuscheiden und dauerhaft zu speichern.
Eines der europaweit am weitesten fortgeschrittenen CCS-Projekte ist Northern Lights in Norwegen. Als weltweit erste grenzüberschreitende CO₂-Transport- und Speicherinfrastruktur bietet Northern Lights eine Lösung für Industrien mit hohen Emissionen. Das Projekt ist Teil des umfassenden Longship-Programms der norwegischen Regierung, das darauf abzielt, CO₂-Abscheidung, -Transport und -Speicherung im großen Maßstab umzusetzen und wird zudem mit Geldern der Europäischen Kommission unterstützt. Northern Lights stellt dabei die zentrale Komponente für Transport und Speicherung dar.
Northern Lights ist mehr als ein nur technisches Projekt – es zeigt vielmehr, wie durch die enge öffentlich-private Zusammenarbeit der Energieunternehmen Equinor, Shell und TotalEnergies sowie mit der Unterstützung der norwegischen Regierung und Fördermitteln z.B. aus der europäischen „Connecting Europe-Fazilität“ eine CCS-Wertschöpfungskette für CO₂ entsteht. Nachdem die erste Ausbauphase der Anlage bereits 2024 abgeschlossen wurde, haben die Unternehmen im Frühjahr 2025 auf Grundlage weiterer Kundengewinnung bekanntgegeben, weitere 660 Millionen Euro in den Ausbau zu investieren. Das norwegische Unternehmen Equinor leitet den Bau der Anlagen und bringt über 25 Jahre Erfahrung in der Offshore-CO₂-Speicherung mit. Shell und TotalEnergies unterstützen mit ihrer Expertise im Bereich Transport und Abscheidung.
Das Besondere an Northern Lights ist der flexible Ansatz beim CO₂-Transport. Statt über Leitungen wird das abgeschiedene und verflüssigte CO₂ per Schiff transportiert. Das ermöglicht die Aufnahme von Emissionen aus Industrieclustern in ganz Europa. Der CO₂-Transport per Schiff bietet zusätzliche Flexibilität. Dafür sind vier Schwesternschiffe vorgesehen. Die Northern Pioneer ist das erste der vier Transportschiffe. Der Prozess der CO₂-Wertschöpfungskette beginnt direkt am Ort der Emission, etwa in einer Zementfabrik oder einem Chemiewerk. Dort wird das CO₂ abgeschieden, verflüssigt und anschließend mit den speziell entwickelten Schiffen wie der Northern Pioneer zum Empfangsterminal von Northern Lights in Øygarden an der norwegischen Westküste gebracht. Von dort aus gelangt das CO₂ über eine Pipeline zu seinem endgültigen Speicherort – einem Reservoir rund 2.600 Meter unter dem Meeresboden.
Das CO2-Transportschiff Northern Pioneer ist das erste von vier Schwesterschiffen, das CO2 zum Northern Lights Terminal in Øygarden transportiert.
In der ersten, bereits abgeschlossenen Phase des Northern Lights-Projekts wurde die Infrastruktur für den Transport und die Speicherung von CO₂ entwickelt. Dazu gehört das Empfangsterminal in Øygarden, das seit September 2024 für den Empfang von CO₂ bereit ist, sowie eine Pipeline, die von dort zu einer geologischen Speicherstätte unter der Nordsee führt. In Phase 1 beträgt die Speicherkapazität zunächst 1,5 Millionen Tonnen CO₂ pro Jahr. In der zweiten Phase soll bis 2028 die Speicherkapazität auf bis zu 5 Millionen Tonnen CO₂ pro Jahr erweitert werden. Zudem soll in Phase 2 eine weitere Injektionsstelle sowie zusätzliche Infrastruktur entwickelt werden.
Die Nordsee bietet ideale geologische Voraussetzungen für die dauerhafte Speicherung von CO₂. Ihr Gesamtspeicherpotenzial wird groß genug geschätzt, um die industriellen CO₂-Emissionen Europas für mindestens die nächsten 75 Jahre aufzunehmen. Northern Lights nutzt poröses Gestein tief unter dem Meeresboden als Speicherstätte. Dieses Gestein wirkt wie ein Schwamm, der das CO₂ aufnimmt. Darüber verhindert eine undurchlässige Deckgesteinsschicht, dass es entweichen kann.
Der Injektionsprozess erfolgt über Pipelines, über die das CO₂ vom Empfangsterminal in Øygarden direkt in die Speicherstätte gepumpt wird. Physikalische und chemische Prozesse sorgen dafür, dass das CO₂ mit der Zeit immer weniger beweglich wird und dauerhaft sicher eingeschlossen bleibt. Zusätzlich wird die Lagerstätte kontinuierlich überwacht. Mit seismischen Messungen und Druckkontrollen gewährleisten die Betreiber, dass die Sicherheit der Speicherstätte jederzeit garantiert ist. Equinor bringt hier seine jahrzehntelange Erfahrung aus der Offshore-Industrie ein.
ABSCHEIDUNG: CO₂-Abscheidung kann in verschiedenen Bereichen zum Einsatz kommen. In industriellen Prozessen wird das Gas beispielsweise aus den Abgasen abgetrennt. Für die Herstellung von CO₂-armem Wasserstoff aus Erdgas wird es auf molekularer Ebene vom Erdgas getrennt, sodass Wasserstoff und CO₂ entstehen.
TRANSPORT: Das CO₂ wird dann komprimiert und entweder über eine Pipeline, über den Landweg oder per Schiff zu einer Empfangsanlage transportiert. Von dort gelangt es über eine Pipeline an den Ort, an dem es dauerhaft sicher gespeichert wird: tief unter dem Meeresboden.
SPEICHERUNG: Das CO₂ wird in poröse, unterirdische Gesteinsschichten geleitet, die nach oben hin abgedichtet sind. Dort wird es in einer Tiefe von einem Kilometer oder mehr dauerhaft und sicher gespeichert - so wie Öl und Gas seit Millionen von Jahren im Untergrund eingeschlossen sind.
Northern Lights und die durch das Projekt etablierte CCS-Wertschöpfungskette bieten zahlreiche Vorteile und Chancen:
Das Northern Lights-Projekt zeigt, wie innovative Technologien und internationale Zusammenarbeit genutzt werden, um gemeinsam die Klimaziele erreichen zu können und die Industrie zu dekarbonisieren. Mit der geplanten Erweiterung der CO₂-Speicherkapazitäten auf 5 Millionen Tonnen pro Jahr und neuen Partnerschaften, die in Phase 2 etabliert werden sollen, zeigt das Projekt wie eine CCS-Wertschöpfungskette für die CO₂ in Europa entsteht.
Jetzt ist die Zeit zu handeln. Damit CO₂-Transport- und Speicherlösungen wie Northern Lights auch tatsächlich für deutsche Industrieunternehmen genutzt werden kann, müssen zeitnah die politischen Weichenstellungen erfolgen und alle notwendigen rechtlichen Rahmenbedingungen geschaffen werden. Northern Lights hat gezeigt, dass CCS-Technologien gerade anfangs aktive Förderung brauchen, in späteren Phasen aber durchaus eine marktfähige Dekarbonisierungslösung sein können. Gemeinsam können die Klimaziele erreicht werden. CCS-Technologie stellt dabei eine Lösungsoption in einem umfangreichen Werkzeugkoffer dar, die europäische Industrie nachhaltig zu transformieren.
Dieser Inhalt ist in Zusammenarbeit mit Equinor entstanden und beleuchtet den Beitrag des Unternehmens zur Energiewende und zur Dekarbonisierung der Industrie.