B2B-Start-ups helfen etablierten Unternehmen, Künstliche Intelligenz (KI) in ihre Prozesse zu integrieren. Eine McKinsey-Analyse zeigt Schwerpunkte von Gründern und Investoren ebenso wie brachliegende Marktpotenziale.
Künstliche Intelligenz erobert die globale Wirtschaft. Laut einer Umfrage des Beratungsunternehmens McKinsey setzen bereits drei Viertel der Unternehmen auf KI-Technologien in ihrer Wertschöpfungskette. Dieser Boom erfasst auch den deutschsprachigen Raum: Eine überwältigende Mehrheit der Entscheider plant, Investitionen in KI-Technologien in den kommenden drei Jahren zu erhöhen. Zwei Drittel von ihnen greifen dabei auf Lösungen von Drittanbietern zurück, meist fällt ihre Wahl auf Standardangebote etablierter Anbieter - das gilt insbesondere bei generativer Künstlicher Intelligenz (GenAI).
Ein Trend, der innovativen B2B-KI-Start-ups enorme wirtschaftliche Möglichkeiten eröffnet, wie McKinsey-Partner Niko Mohr betont. „In einem solchen Umfeld können sich gerade junge Unternehmen mit maßgeschneiderten Lösungen von etablierten Wettbewerbern abheben und bei potenziellen Kunden punkten“, so die Einschätzung des Digitalisierungsexperten. Die Gründerszene im deutschsprachigen Raum hat diese Gelegenheit erkannt.
McKinsey hat knapp 1.000 Start-ups identifiziert, die KI-Lösungen für Unternehmen entwickeln und vermarkten – ein Drittel davon setzt auf GenAI-Technologien. Für McKinsey-Partner Niko Mohr sind das beeindruckende Zahlen. Allerdings sei das Start-up-Ökosystem in den USA wesentlich reifer. „US-Start-ups erhalten im Durchschnitt viermal so viel Startkapital wie Gründungen im DACH-Raum. Zudem haben dort bereits 20 Prozent der Start-ups die Series-B-Finanzierungsrunde erreicht, während es in der DACH-Region weniger als zehn Prozent sind.“
Trotz dieser Unterschiede sieht er Potenzial im hiesigen Start-up-Ökosystem. „Es ist zwar weniger reif, aber aufgrund seiner Vielfalt dennoch vielversprechend“, betont er. Die B2B-Start-ups bedienen Kernindustrien wie Automobilbau, Maschinenbau sowie den Medizin- und Gesundheitssektor und decken dabei drei zentrale Einsatzfelder von KI ab: intelligente Tools zur Unterstützung betrieblicher Kernprozesse, Lösungen für Support-Funktionen und disruptive Anwendungen.
Die Tech-Gründungen verteilen sich ungleichmäßig auf diese Felder: Rund drei Viertel entwickeln KI-Anwendungen für Kernprozesse wie Produktentwicklung, Marketing oder Operations. Diese helfen Unternehmen, sich etwa durch KI-gestützte Steuerung komplexer Lieferketten von der Konkurrenz abzuheben. Ein Fünftel fokussiert sich auf die Steigerung der Effizienz von Support-Prozessen in Bereichen wie Personal, Finanzen oder IT. Nur vier Prozent der Start-ups arbeiten an disruptiven KI-Lösungen zur Schaffung neuer Geschäftsmodelle – gleichwohl ein Bereich mit großem Potenzial, in den bereits sieben Prozent der gesamten Investitionen fließen, wie Mohr unterstreicht.
Generative KI ist aufgrund ihrer Fähigkeiten, komplexe Informationen sekundenschnell zu erfassen und neue Inhalte basierend auf vorhandenen Daten zu generieren, vielfältig nutzbar. Allerdings macht die McKinsey-Analyse auch in der GenAI-Start-up-Landschaft Schwerpunkte aus: So bieten überproportional viele Gründungen (rund 30 Prozent gegenüber 22 Prozent der KI-Start-ups insgesamt) Lösungen für Support-Prozesse, die textbasierte Arbeit erfordern – zum Beispiel das Verfassen von Steuer- und Geschäftsberichten. Der Einsatz generativer KI bringt hier unmittelbare Effizienzsteigerungen und damit einen hohen ökonomischen Nutzen. Jedoch sehen die McKinsey-Experten das Markpotenzial in vielen Bereichen bereits ausgeschöpft, Luft nach oben haben demnach vor allem noch die Felder Recht und Risikomanagement.
Stark vertreten sind GenAI-Start-Ups mit einem Anteil von 24 Prozent auch im Bereich der Kernprozesse von Marketing, Vertrieb und Kundenservice. Sie bedienen die wachsende Nachfrage etablierter Unternehmen nach personalisierten Kundeninteraktionen und Kampagnen. Zum Vergleich: Von der Gesamtheit der jungen KI-Unternehmen engagieren sich nur 12 Prozent in diesem Bereich. Hier besteht McKinsey zufolge das größte brachliegende Marktpotenzial im Bereich der Produktentwicklung.
Nur eine Minderheit der Gründer setzt bislang auf disruptive GenAI-Start-ups, die auf die Schaffung neuer Geschäftsmodelle zielen. Das Marktpotenzial solcher Gründungen beziffert die McKinsey-Analyse nicht. Dass jedenfalls die Investoren hier durchaus großes Potenzial sehen, zeigen zwei Zahlen, die ihr enormes Interesse belegen: Obwohl nur fünf Prozent der Gründungen disruptive Start-ups sind, fließen bereits 18 Prozent des Wagniskapitals in diesen Bereich.
Trotz vieler Chancen für KI-Start-ups im B2B-Markt gibt es auch Herausforderungen. Niko Mohr weist darauf hin, dass sich die Arbeitskulturen junger und etablierter Unternehmen oft stark unterscheiden, insbesondere im Hinblick auf Entscheidungsfreude und Risikobereitschaft. Auch menschliche Faktoren spielen eine Rolle: „Selbst bei Führungskräften beobachten wir oft eine gewisse Skepsis und fehlenden Mut gegenüber dem Einsatz von KI. Hier ist ein umfassendes Change-Management gefragt“, sagt der Digitalisierungsexperte.
Für den langfristigen Erfolg des KI-Start-up-Ökosystems im DACH-Raum sind laut Mohr vor allem zwei Faktoren entscheidend: der Zugang zu Finanzmitteln und die Verfügbarkeit von Tech-Talenten. Nur wenn beides in ausreichendem Maß gegeben sei, könnten die hiesigen B2B-Start-ups rasch wachsen, skalieren und sich im globalen Wettbewerb behaupten. Gelingt dies, profitierten alle, so Mohr: „Ein starkes Ökosystem in Deutschland, Österreich und der Schweiz ist entscheidend dafür, dass die KI-Revolution in der Region vorangetrieben wird – und auch den etablierten Industrien als Wachstumsmotor und Zukunftsfaktor dient.“