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Geringere Margen, veränderte Gewohnheiten, leerere Geschäfte: Deutschen Einzelhändlern steht eine einschneidende Transformationsphase bevor. Ein Blick ins Ausland zeigt bereits, welchen Weg die Entwicklung nehmen wird.
Der aktuelle „The Shape of Retail“-Report des Beratungsunternehmens Alvarez & Marsal (A&M) und des Marktforschers Retail Economics zeigt ein gemischtes Bild für die Zukunft des stationären Einzelhandels in Deutschland auf. Infolge der Pandemie, die Verbraucher in ihren Konsumgewohnheiten deutlich beeinflusst hat, will fast jeder vierte Deutsche dauerhaft weniger in Geschäften vor Ort einkaufen. Damit sind deutsche Konsumenten ihren Händlern im europäischen Vergleich sogar noch relativ treu. Hierzulande ändert sich das Einkaufsverhalten langsamer, wenngleich die Pandemie bestehende Trends beschleunigt hat. Ein Blick nach Großbritannien oder Italien scheint für deutsche Händler demnach ein Blick in die eigene Zukunft.
In Deutschland geben 72,9 Prozent der Verbraucher an, dass ihr Einkaufsverhalten sich durch die Pandemie gar nicht (53,3 Prozent) oder nur temporär (19,6 Prozent) verändert hat. Dementsprechend wollen 64,8 Prozent der Befragten lokale Geschäfte genauso oft (54,3 Prozent) oder sogar öfter (10,5 Prozent) als vor Covid-19 besuchen. 35,3 Prozent der Kunden dagegen wollen ihre Besuche reduzieren, was bei 16,8 Prozent daran liegt, dass sie insgesamt weniger ausgeben wollen. Netto resultiert aus diesen Zahlen ein erwarteter Rückgang der Besuche im stationären Handel um 24,7 Prozent. Händler müssen also mehr denn je zuvor die Verwendung und Rentabilität ihrer Ladenflächen überdenken.
Die übrigen 27,1 Prozent der deutschen Verbraucher meinen, ihr Einkaufsverhalten habe sich permanent verändert. 6,2 Prozent der Befragten sehen diese Veränderung in sämtlichen, 20,9 Prozent nur bei bestimmten Produktkategorien.
Branchen, in denen die Befragten auch nach der Pandemie häufiger online kaufen wollen, sind Mode (23,1 Prozent), Elektrogeräte (20,9 Prozent), Reise & Freizeit (16,6 Prozent) oder auch Haushaltswaren (15,4 Prozent). Je jünger die Zielgruppe, umso höher dieser Wert. Viele Verbraucher haben während der Pandemie bestimmte Produkte zum ersten Mal online gekauft. Das begünstigt einen dauerhaften Wandel im Konsumverhalten.
Insgesamt erwarten die Konsumenten, dass 25,2 Prozent ihrer gesamten Haushaltsausgaben sich dauerhaft auf E-Commerce verlagern werden. Damit liegt Deutschland an letzter Stelle unter den befragten Ländern und unter dem europäischen Durchschnitt von 29,9 Prozent.
Die Pandemie beschleunigt das Wachstum des Online-Anteils an den Gesamtumsätzen im Handel weiter. Europaweit machten Online-Einkäufe 2019 12,1 Prozent der Gesamtumsätze aus, 2020 waren es bereits 14,8 Prozent. Für das Jahr 2025 wird ein Online-Anteil von 20,4 Prozent erwartet. Für Deutschland sagt der „The Shape of Retail“-Report unter allen Ländern das langsamste Wachstum voraus. Hierzulande verhalten sich die Konsumenten konservativer und steigen langsamer auf E-Commerce um.
Orientierung kann ein Blick nach Großbritannien bieten. Dort sind die Verbraucher bereits online-affiner und 44,1 Prozent der Befragten erwarten, dass sie den stationären Handel künftig seltener aufsuchen werden. Infolgedessen geht der Bericht davon aus, dass sich bis 2025 mehr als ein Drittel (33,5 Prozent) des Umsatzes im Einzelhandel im Vereinigten Königreich ins Internet verlagert. Für die dortigen Händler bedeutet das bis 2025 einen Gewinneinbruch um 8 Milliarden.
Je mehr sich der Handel in Richtung Online verlagert, umso stärker sinken die Gewinne der Händler. Diese Entwicklung herrscht seit 2011 in allen analysierten Ländern vor. Der neue „The Shape of Retail“-Report (hier als PDF in englischer Sprache herunterladen) prognostiziert, dass die Margen im europäischen Durchschnitt von 6,4 Prozent im Jahr 2011 auf 3,2 Prozent im Jahr 2025 sinken werden.
In Deutschland sinken die Margen weniger stark. Allerdings nur deshalb, weil sie aufgrund der vorherrschenden Rabatt- und Sparkultur traditionell überdurchschnittlich niedrig sind. Von 2,4 Prozent für 2019/20 wird hier ein Rückgang auf 2,1 Prozent 2025 erwartet.
Im Online-Geschäft sind generell niedrigere Margen möglich als im stationären Einzelhandel. Das Marktumfeld ist höchst kompetitiv und weist andere Kostenstrukturen auf als der stationäre Handel. Während die Geschäftsmodelle sich anpassen, sind zumeist zusätzliche Investitionen in neue Kompetenzen nötig. Insbesondere die Retourenquote ist ein hoher Kostenfaktor.
Deutsche Konsumenten retournieren durchschnittlich 7,1 Prozent aller bestellten Waren. Damit liegen sie im europäischen Vergleich erneut am Ende des Feldes. Dieser Wert steigt jedoch voraussichtlich weiter an, denn junge Erwachsene retournieren 10,6 Prozent der Bestellungen, verglichen zu 6,6 Prozent bei den Senioren. Waren zurückzusenden, ist fest im Konsumverhalten junger Menschen verankert.
Der Handel braucht für das Retourenmanagement ebenso eine Strategie wie für die logistischen Herausforderungen des Online-Geschäfts, ihren Auftritt in einem höchstkompetitiven Umfeld sowie der Frage nach der Zukunft der Ladenflächen.
Laden Sie sich den Report in englischer Sprache hier kostenlos als PDF herunter.
Über den Report:
Für den „The Shape of Retail“-Report wurden zwischen dem 19. April und dem 1. Mai 2021 mehr als 3.000 Haushalte in sechs europäischen Ländern (Deutschland, Vereinigtes Königreich, Schweiz, Frankreich, Italien, Spanien) befragt. Dazu wurden in einer Stichprobe über 250 europäische Einzelhändler aus diesen Ländern analysiert, die 2019/20 zusammen für mehr als 2 Billionen Euro Umsatz verantwortlich sind. Dies machtrund 40 Prozent des gesamten Einzelhandelsumsatzes in den sechs europäischen Ländern aus.