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Die Zukunft der Industrie ist offen – selten konnte man ein Statement wörtlicher nehmen als dieses. Im Zeitalter von Künstlicher Intelligenz, hochintelligenter Sensorik, vernetzter Anlagentechnik und Daten als „Kronjuwelen“ eines jeden Industrieunternehmens, gilt der Automatisierungsgrad nicht umsonst als Heiliger Gral des Erfolges. Entsprechend ist eine IIoT-getriebene Digitalisierung, die auf offenen Standards basiert, für viele Industriebetriebe der nächste logische Entwicklungsschritt. Ein Schritt, der in der Regel von Modernisierungsüberlegungen und strategischen Nachrüstungen geprägt ist.
Vernetzte IT lässt sich häufig remote auswerten und warten. (Bild: Schneider Electric)
Wir sprachen mit Gregory Boucaud, High Performance Motion & Robotics Product Manager und Jan Mennerich, Steuerungstechnik Product Manager bei Schneider Electric. Das global operierende Tech-Unternehmen ist überzeugt, dass eine interoperable und portable Anwendungssoftware und eine stärkere Modularisierung wesentliche Voraussetzungen für die Industrien der nächsten Generation darstellen. Denn: Durch eine gut aufgestellte, umfassende Anlagen- und Maschinenvernetzung können Einsparpotenziale und Produktivitätsstärken optimal genutzt werden. Gleichzeitig lassen sich Energie und natürliche Ressourcen schonen, während neue IT-basierte Geschäftsmodelle erfolgreich etabliert werden können.
Um die Digitalisierung und Automatisierung kommt heutzutage kaum ein Industrieunternehmen mehr herum. Dennoch variieren die Ansätze je nach Aufbau, Größe und Ressourcen. Was raten Sie Unternehmen, die sich mit der Frage des passenden Modernisierungsansatzes initial beschäftigen?
Gregory Boucaud: Jedes Digitalisierungsprojekt muss individuell angegangen werden. Es bedarf zunächst einer eingehenden Prüfung aller Prozesse und Workflows, um exakt auszuloten, wo und wie sich Optimierungspotenzial abschöpfen lässt. Schon zu diesem frühen Zeitpunkt empfiehlt es sich, auf kompetente Partner zu setzen, die bei der Ausarbeitung der richtigen Digitalisierungsstrategie unterstützen und das Projekt Schritt für Schritt begleiten. So lässt sich nicht nur fehlendes Know-how kompensieren, sondern auch sicherstellen, dass ein Projekt „in time“ und „in budget“ umsetzbar ist.
80.000 registrierte Nutzer, mehr als 500 digitale Angebote und mehr als 100 aktive Communities – Schneider Electric Exchange ist eine branchenübergreifende, offene Networking Plattform rund um das Thema Digitalisierung.
Jan Mennerich: Grundsätzlich sollte eine erfolgreiche Modernisierungsstrategie in puncto Digitalisierung immer auf Langfristigkeit und Skalierbarkeit ausgelegt sein. Schließlich ist es wichtig, das getätigte Investment nachhaltig zu schützen und den gewonnenen Wettbewerbsvorteil abzuschöpfen (ROI). Hier sind ganzheitliche und offene Lösungen wie zum Beispiel unsere IIoT-fähige Lösungsarchitektur EcoStruxure klar im Vorteil. Ganzheitlich, da flexible Automatisierung oder nachhaltiges Energiemanagement nur dann möglich sind, wenn alle Anlagenkomponenten zu durchgängiger Kommunikation befähigt sind und maximale Datentransparenz herrscht. Offen, um eine Anlage herstellerunabhängig und flexibel erweitern und Zukunftsfähigkeit sichern zu können. Nicht zuletzt müssen aber auch intelligente Softwareservices (Link zu Software & Services) zum Einsatz kommen, die bei der Datenauswertung helfen und die Nutzung digitaler Services, wie beispielsweise vorausschauende Wartung, ermöglichen.
Wo bestehen in der Praxis die größten Hemmnisse?
Jan Mennerich: Den meisten Entscheidern in Industrie und Wirtschaft ist die Wichtigkeit der digitalen Transformation grundsätzlich bewusst. Bei der konkreten Umsetzung hapert es aber noch: Nur etwa 28 Prozent der deutschen Industrieunternehmen gelten in Sachen Digitalisierung als führend. Und die Gründe dafür sind vielfältig. Hohe Investitionskosten, fehlendes Know-how und geschlossene Systeme werden besonders häufig als Hemmnisse entsprechender Modernisierungsvorhaben ins Feld geführt.
"Grundsätzlich sollte eine erfolgreiche Modernisierungsstrategie in puncto Digitalisierung immer auf Langfristigkeit und Skalierbarkeit ausgelegt sein."
Jan Mennerich, Steuerungstechnik Product Manager bei Schneider Electric
Bei Schneider Electric entwickeln wir deshalb skalierbare Lösungen, die nach und nach implementierbar sind und je nach Bedarf erweitert werden können. Wichtig in diesem Zusammenhang ist natürlich auch, dass sich Produkte oder Lösungen auf absehbare Zeit bezahlt machen. Damit vor diesem Hintergrund die richtigen Technologien ausgewählt und auch korrekt eingesetzt werden, fehlt es in vielen mittelständischen Unternehmen aber oftmals an Know-how. Hier sehe ich ein weiteres großes Problem. Zwar drängt in den kommenden Jahren eine neue Generation in die Werkshallen – die gegenwärtig Beschäftigten müssen aber in gleichem Maße für die Digitalisierung und ihre Auswirkungen sensibilisiert werden. Kontinuierliche Schulungsangebote, wie wir sie zum Beispiel im Rahmen des EcoXperts-Programms für unsere Partner anbieten, sind deshalb äußerst wertvoll.
DIHK Umfrage: „Digitalisierung mit Herausforderungen“
Gregory Boucaud: Ein weiteres Hemmnis für die digitale Modernisierung von Industrieunternehmen sind proprietäre Systeme. Sie erschweren die Kommunikation zwischen unterschiedlichen Steuerungssystemen und machen die Etablierung einer ganzheitlichen IIoT-Architektur schwierig. Für Maschinenbauer wie Endkunden geht das mit eingeschränkter Flexibilität und Effizienz beim Engineering einher. Auch der Umstieg oder die Migration zu neuen Steuerungssystemen fällt schwer. Aus diesem Grund setzen wir bei Schneider Electric konsequent auf offene Standards. Unsere Steuerungen zum Beispiel kommunizieren über OPC UA und unsere ganzheitliche Lösungsarchitektur EcoStruxure ist grundsätzlich herstellerunabhängig konzipiert. In puncto Automatisierung setzen wir mit dem EcoStruxure Automation Expert zudem voll auf Hardwareunabhängigkeit. Eine offen automatisierte Anlage bietet für künftige Umbauten und Modernisierungen praktisch grenzenlose Freiheiten.
Stichwort: Geht nicht, gibt’s nicht? Gab es in der Vergangenheit Modernisierungsprojekte, deren Erfolg Sie selbst überrascht hat?
Gregory Boucaud: Ja natürlich! Genau wie wir, kommen auch die meisten unserer Kunden aus hochgradig innovativen Unternehmen. Da kommt es immer wieder vor, dass unsere Technologien im richtigen Kontext Ergebnisse liefern, die selbst uns noch überraschen. Im Fall eines Lebensmittelbetriebs zum Beispiel wurde auf Basis unserer Technologien die komplette Produktion digital vernetzt. Auch Steuerungen unterschiedlicher Anbieter und Generationen konnten zusammengeführt und deren Daten für übergeordnete Managementsysteme nutzbar gemacht werden. Und der Erfolg war durchschlagend: Nicht nur erfolgt mittlerweile die gesamte Produktion zu 100 Prozent papierlos, der Kunde konnte sein Geschäftsmodell komplett umstellen und wird im Markt nun neu wahrgenommen. Indem sich das Unternehmen innerhalb kürzester Zeit vom reinen Linienanbieter zum Servicedienstleister für digitale Lösungen gewandelt hat, ist es bereits heute optimal für die Zukunft von Industrie 4.0 aufgestellt.
"Ein weiteres Hemmnis für die digitale Modernisierung von Industrieunternehmen sind proprietäre Systeme. Sie erschweren die Kommunikation zwischen unterschiedlichen Steuerungssystemen und machen die Etablierung einer ganzheitlichen IIoT-Architektur schwierig."
Gregory Boucaud, High Performance Motion & Robotics Product Manager bei Schneider Electric
Welche Rolle spielen digitale Modernisierungen und Nachrüstungen hinsichtlich der Erschließung von neuen Geschäftsmodellen?
Gregory Boucaud: Eine Studie des Weltwirtschaftsforums* schätzt, dass bis 2030 etwa 70 Prozent aller neuen Geschäftsmodelle auf digitalen Plattformen basieren. Auch das zeigt die Dringlichkeit, mit der digitale Modernisierungen jetzt vorangetrieben werden müssen. Künftige Wettbewerbsfähigkeit wird sich in vielen Branchen daran messen lassen müssen, wie erfolgreich die Digitalisierung heute schon gelungen ist.
Der bereits angesprochene Kunde aus der Lebensmittelbranche ist dafür ein gutes Beispiel. Er hat mit unserem EcoStruxure Machine Advisor nun zum Beispiel die Möglichkeit, seine Maschinen beim Endkunden zu tracken und deren Zustand permanent aus der Ferne zu überwachen. Das klassische „Deliver and Forget“-Modell hat somit ausgedient und für den Maschinenhersteller ergeben sich über den Verkauf der Maschine hinaus ganz neue Geschäftsmöglichkeiten im Service-Bereich. Für den Endkunden hat das den Vorteil, dass der Maschinenpark kontinuierlich von externen Fachleuten überwacht wird, Wartungspläne erstellt werden und sich die Gewährleistung verbessert.
In anderen Fällen konnten unsere Kunden ihr Geschäftsmodelle sogar komplett auf Machine-as-a-Service umstellen. Sie verkaufen also keine Maschinen mehr, sondern stellen sie – zusammen mit entsprechenden Serviceleistungen – gegen eine Nutzungsgebühr zu Verfügung. Für die Endkunden bedeutet das: Höhere Flexibilität, geringere Kosten und eine vertragliche Garantie für die Leistung einer Maschine. Angesichts der Vorteile ist davon auszugehen, dass sich dieser Trend in den kommenden Jahren noch erheblich verstärken wird.
Kernkompetenz Digitalisierung
Digitalisierung ist heute eine erforderliche Kernkompetenz für Unternehmen. Es geht darum, möglichst viele Daten zu sammeln und diese gewinnbringend zu nutzen. Ob zur Stärkung von Wettbewerbsfähigkeit oder Unternehmensresilienz, zur Schaffung attraktiver Arbeitsplätze oder zur Etablierung veränderter, mitunter disruptiver, Geschäftsmodelle – wer den Weg der Digitalisierung nicht geht, wird in der Wirtschaft mittelfristig keine Rolle mehr spielen. Denn nicht zuletzt ermöglicht Digitalisierung auch nachhaltiges Wirtschaften – und das ist für den Erhalt des Unternehmenswerts ein unbedingtes Muss. Stichwort: ESG (Environmental Social Governance).
Brownfield-Ansätze, die auf die Modernisierung von bestehender Infrastruktur setzen, klingen zunächst einmal sehr aufwendig. Welche technischen Lösungen stellt Schneider Electric zur Verfügung, um Aufwand und Kosten bei solchen Projekten zu reduzieren?
Gregory Boucaud: Ja, die Modernisierung von Brownfield-Anlagen kann aufwendig sein – muss sie aber nicht. Wie anfangs beschrieben, kommt es bei einem erfolgreichen Digitalisierungsprojekt zunächst auf die engmaschige Schaffung von Datenpunkten sowie eine durchgängige Kommunikation der Daten an. Nur auf Basis einer möglichst hohen Datentransparenz – also Anlagensichtbarkeit – zahlt sich der Einsatz von digitalen Services wirklich aus. Beispiele sind die Identifizierung von Ineffizienzen im Energieverbrauch oder die vorausschauende Wartung einer Anlage.
Dank der großen Skalierbarkeit und der kleinen Baugröße ist die GreenBox für neue und bestehende Anlagen geeignet. (Bild: Schneider Electric)
Um die „Sichtbarkeit“ einer bestehenden Industrieanlage deshalb schnell und unkompliziert zu erhöhen, haben wir mit unserem GreenBox-iPC einen HUB entwickelt, der selbst unterschiedlichste Maschinen steuerungsunabhängig in ein IIoT-Netzwerk integrieren kann. Dazu ist der Industrie-PC mit über 300 Kommunikationstreibern ausgestattet und verschiedene digitale Services, wie etwa LMS Life, EcoStruxure Machine Advisor, EcoStruxure Augmented Operator Advisor oder AVEVA Insight, können darauf installiert werden. Auch eine Anbindung an die Cloud ist möglich – on-Premise, hybrid oder komplett über externe Server. Vorteile wie vorausschauende Wartung, Remote Management oder produktivitätssteigerndes Line Monitoring sind mit dieser Lösung ohne größere Umbaumaßnahmen sofort nutzbar.
Jan Mennerich: Inwieweit sich das auszahlen kann, zeigt das Beispiel SIG Combibloc Systems. Mit seiner Niederlassung im deutschen Linnich ist das Unternehmen einer der führenden Lösungs- und Systemanbieter für aseptische Verpackungen.
Insbesondere für die Digitalisierung von Molkerei-Betrieben bietet SIG seinen Kunden eine Kombination aus GreenBox und Softwareanwendungen von Schneider Electric. Damit lassen sich bestehende Anlagen so modernisieren, dass alle Prozesse und Workflows datenbasiert exakt überwacht werden können. Grundbaustein dafür ist die Vernetzung aller Bestandsmaschinen mit der GreenBox.
Auf Basis der damit geschaffenen Datentransparenz, kommen dann Softwareanwendungen wie zum Beispiel EcoStruxure Augmented Operator Advisor (AOA) oder Clean-in-Place (CIP)-Advisor zum Einsatz. Während mit dem AOA Wartungsvorgänge auf Basis von Augmented Reality optimiert durchgeführt werden können, bietet der CIP-Advisor mehr Effizienz für Reinigungsprozesse. Bis zu 30 Prozent Wasser, Chemikalien und Energie lassen sich damit einsparen.
Außerdem ganz wichtig: Mit Software für das Produkt-Informations-Management kann die qualitativ hochwertige Lebensmittelproduktion in der digitalen Molkerei transparent dokumentiert werden. So bleibt das Vertrauen in die jeweilige Marke gestärkt.
Herzlichen Dank für das Gespräch!
Quelle:
*World Economic Forum: Shaping the Future of Digital Economy and New Value Creation, 2019.