Wie gut kennen Deutschlands Unternehmen ihre eigenen Wettbewerbsvorteile? Welche sind das aktuell – und welche gewinnen künftig verstärkt an Bedeutung? Antworten darauf gab jüngst das hochkarätig besetzte Panel der „Handelsblatt Digital Edition“.
Für radikale Schnitte und das Schärfen des eigenen unternehmerischen Profils braucht es einen „Sense of Urgency“. Die Corona-Pandemie und ihre wirtschaftlichen Folgen, die auch mit den aktuellen positiven Meldungen aus der Impfstoffforschung sicherlich nicht über Nacht verschwinden werden, markieren einen solchen Einschnitt. „Deutschland hat vor der Corona-Krise zehn sehr gute Jahre hinter sich. Doch manchem Firmenverantwortlichen dämmert bereits, dass die Erfolgsstrategien von gestern keine Garantie für bleibenden Erfolg in der Post-Corona-Zeit bedeuten“, sagte Urs M. Krämer im Rahmen der jüngsten „Handelsblatt Digital Edition“.
Der CEO der Management- und Technologieberatung Sopra Steria rät Entscheidern in Unternehmen daher, nicht allein auf Sicht durch die Krise zu steuern, sondern sich gerade jetzt mit den eigenen Wettbewerbsvorteilen zu beschäftigen. Das Identifizieren und Betonen der eigenen Stärken könnte für Unternehmen auch mehr Sicherheit in die Planungen bringen.
Was sind die wahren Stärken?
„Diese Krise kann Chancen bieten, wenn wir unsere wahren Stärken kennen“, meint Krämer. Entscheidend dafür sei allerdings ein veränderter Blick auf das Thema Wettbewerbsvorteile: „Lange Zeit war es für Unternehmen selbstverständlich: Das Produkt selbst macht den Vorteil im Wettbewerb aus, und die Unique Selling Proposition (USP) ergibt sich durch das Angebot. Doch in einem immer komplexer werdenden globalen Umfeld mit branchenfremden Herausforderern und neuartigen digitalen Lösungsansätzen, die Kundenfokussierung und sich immer schneller wandelnde Produktportfolios bieten, greift dieses Selbstverständnis oft zu kurz.“
Die wahren Stärken eines Unternehmens finden sich selten in Verkaufsprospekten. Womöglich ist es das besondere Mitdenken im Kundenservice, die im direkten Vergleich zum Wettbewerber den wahren Unterschied ausmacht. Vielleicht sind es auch die besonders innovationsfreudige IT oder das Betriebsklima.
Großes Unwissen
Auch die Wissenschaftler des Handelsblatt Research Institute (HRI) befassen sich in ihrer demnächst (auch auf diesem Hub) erscheinenden Studie eingehend mit dem Thema „What’s Your Edge?“. Sven Jung, Head of Economic Intelligence beim HRI, stellte erste Ergebnisse vor – und war selbst überrascht: „Digitale Themen werden aktuell selten als Wettbewerbsvorteil identifiziert. Und nicht bei allen Unternehmen sind die eigenen Wettbewerbsvorteile dem Großteil der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bekannt.“
Für die Beispielfirmen in der Konferenz gilt das nicht. Sabine Herold, geschäftsführende Gesellschafterin von Delo Industrie Klebstoffe, setzt vor allem auf die erstklassige Aus- und Weiterbildung der Beschäftigten, SAP-Deutschland-Chef Alexander Kläger auf hohes Innovationstempo. Und Marc Wawerla, President von Zeiss Industrial Quality Solutions, favorisiert den „radikalen Kundenfokus“: „Wir können nur Erfolg haben, wenn wir uns konsequent am Kunden orientieren.“ Das sah auch der Politiker in der Runde so, der grüne Bundestagsabgeordnete und frühere Unternehmensberater Danyal Bayaz, und ergänzte: „Die deutsche Stärke ist die Qualität. Darauf sollten die Unternehmen auch künftig setzen.“ Deutschlands Ingenieure seien weltweit führend beim Bau komplexer Produkte. Nun gelte es, diese ins digitale Zeitalter zu überführen.