Die Covid-19-Pandemie hat der digitalen Transformation der Geldhäuser einen Schub gegeben. Immer häufiger kooperieren Banken, Fintechs und Technologie-Unternehmen, um Kundenanforderungen zu meistern.
Banken müssen auf die digitalen Herausforderungen der Zukunft reagieren. (Bild: Adobe Stock)
Wenn Michel Billon über die Digitalisierung seines Unternehmens spricht, wird der Geschäftsführer der Hanseatic Bank ganz emotional. „Wir lieben Tech“, schwärmt er. Dieser Satz könnte auch in großen Buchstaben über dem Empfang des Hamburger Finanzinstituts hängen, denn er prägt das Handeln der Bank. Ein Beispiel: Vor knapp zwei Jahren ging die Hanseatic Bank als eine der ersten deutschen Banken eine Kooperation mit dem US-amerikanischen Technologie-Unternehmen Apple ein, bietet ihren Kunden seitdem das Bezahlen per iPhone und Apple Watch an.
Im Podcast: Michel Billon (CEO Hanseatic Bank), Katharina Lüth (Vice President Raisin) und Sandra Ficht (Digital Banking and Payment, Capgemini)
Kooperationen zwischen Banken und Technologie-Unternehmen gewinnen immer mehr an Bedeutung. Welche Vorteile das beiden Seiten bringt, erklären unsere Finanzexperten im Podcast.
Solche Kooperationen zwischen Banken und Technologie-Unternehmen waren damals noch ein Novum in Deutschland. Heute dagegen sind sie Alltag, gewinnen immer mehr an Bedeutung. Denn die Bedürfnisse der Kunden haben sich in den vergangenen Jahren besonders rasant verändert. Die Covid-19-Pandemie hat nun einen weiteren Push in Richtung Digitalisierung gegeben.
„Digitale und mobile Anwendungen sind während der Corona-Beschränkungen für Bankkunden immer wichtiger geworden“, sagt Sandra Ficht, Vice President und Head of Digital Banking bei der Unternehmensberatung Capgemini Invent. Der Anteil der Bankkunden, die eine Filiale besuchen oder Geld am Automaten abheben, ist laut einer Capgemini-Umfrage seit dem Ausbruch der Pandemie deutlich zurückgegangen. Stattdessen nutzen immer mehr Kunden Angebote wie Banking-Apps und wickeln Bankgeschäfte über Chatbots oder Sprachassistenten ab.
Banken müssen diesen Kundenwünschen nachkommen, wenn sie keinen Wettbewerbsnachteil erleiden wollen. Die benötigte technologische Expertise finden sie immer öfter bei Fintechs oder größeren Technologie-Unternehmen. Auch die Hanseatic Bank setzt auf Kooperationen, arbeitet laut Geschäftsführer Billon mit einer zweistelligen Zahl an Fintechs und Technologie-Unternehmen zusammen: „Sie sind Experten auf ihrem Gebiet und können innovative Banking-Technologien meist viel schneller umsetzen als wir.“
Billon verweist zum Beispiel auf eine Kooperation mit dem Berliner Fintech Raisin. Auf dessen Portal Weltsparen können Kunden mit ihren bestehenden Online-Banking-Daten nach Spar- und Einlagen-Angeboten anderer Banken suchen. Die teilnehmenden Banken erweitern damit ihren Kreis potenzieller Kunden und bieten ihren Bestandskunden ein interessantes Zusatzangebot.
Weltsparen arbeitet bereits mit mehr als 100 Banken zusammen, sagt Katharina Lüth, Vice President Europe von Raisin. Auch sie sieht in der Zusammenarbeit mit Banken ein großes Potenzial. „Fintechs und Banken ergänzen sich extrem gut. Die einen liefern die technische Expertise, die anderen den Kundenstamm.“ Die Technologie-Unternehmen profitieren also vom großen Kundenkreis der Geldhäuser, um ihre Anwendungen zu verbreiten. Die Banken wiederum können mit Hilfe der Fintechs schneller als in der Vergangenheit auf neue Kundenwünsche reagieren und digitale Angebote einführen.
Auch Großbanken vertrauen zunehmend agilen Tech-Experten. Erst im Juli verkündete die Deutsche Bank eine strategische Partnerschaft mit Google. Laut Handelsblatt will die Bank gemeinsam mit dem US- Unternehmen ihre IT-Systeme erneuern. Insbesondere die Cloud-Dienste von Google wecken in Frankfurt große Erwartungen, heißt es. Auch weitere US-Tech-Giganten wie Microsoft und Amazon haben den Markt für sich entdeckt – und preschen regelmäßig mit neuen digitalen Anwendungen für den Bankensektor vor.
Dabei ist die Kooperation zwischen dynamischen Fintechs und eher konservativ denkenden Banken oft herausfordernd. „Mit einigen Banken konnten wir die Partnerschaft schon nach vier bis fünf Wochen umsetzen, bei anderen wiederum dauerte solch ein Prozess schon mal bis zu zwei Jahre“, berichtet Lüth von Raisin. Grundsätzlich müssten sich bei solchen Kooperationen beide Seiten aufeinander einlassen und Verständnis für die jeweils andere mitbringen. „Viele Banken sagen, sie wollen Digitalisierung, setzen das Gesagte aber noch nicht um“, sagt Lüth. Die Einführung der Position eines Chief Digital Officer oder der Aufbau einer Innovationsabteilung allein beschleunigten noch nicht die Digitalisierung.
Das sieht Sandra Ficht von Capgemini Invent ähnlich. „Die Innovationsabteilungen der Kreditinstitute benötigen das Mandat des Vorstands, um auch wirklich digitale Maßnahmen umsetzen zu können. Außerdem muss die Digitalisierung in die Strategie der Bank integriert sein und ihr Alleinstellungsmerkmal stärken.“
So hält es auch Bankchef Billon, der sich einmal im Quartal mit den Bereichsleitern der Hanseatic Bank trifft, um gemeinsam die Marschroute für die kommenden Monate festzulegen. Dabei hat Billon immer die langfristigen, digitalen Ziele des Kreditinstituts im Blick. Und die sehe er in der gesamten Branche aktuell weder in einer vollständig digitalen noch in einer analogen Bank, sagt er. „Die Bank der Zukunft ist hybrid.“ Kunden könnten mit diesem Modell sowohl digital als auch analog Geschäfte machen. Denn trotz des digitalen Fortschritts dürfen die Banken das Bedürfnis der Kunden nach Datensicherheit und Vertrauen nicht aus dem Blick verlieren, betont Billon. „Vielen Kunden ist und bleibt die Sicherheit ihrer Daten mindestens genauso wichtig wie technologischer Fortschritt.“
Aus diesem Grund müssen Banken beim Thema Digitalisierung einen Spagat meistern, weiß Beraterin Ficht. Sie müssen neue digitale Anwendungen und Produkte einführen, um den Kundenwünschen gerecht zu werden. Gleichzeitig müssen Banken aber auch – von Kunden möglichst unbemerkt – ihre IT-Systeme modernisieren. „Häufig knirscht es im Hintergrund gewaltig, was zum Teil auch daran liegt, dass alte Systeme und neue Anwendungen nicht immer reibungslos zusammenwirken“, sagt Ficht. Die IT-Infrastruktur in das digitale Zeitalter zu überführen und gleichzeitig neue Produkte und Kanäle einzuführen ist eine Herkulesaufgabe – für eine neue Generation von Machern.
Michel Billon, Jahrgang 1969, absolvierte ein Master-Studium für Management an der Ecole Supérieure de Commerce de Marseille-Provence. Nach verschiedenen beruflichen Stationen im Vertrieb und Marketing innerhalb der Cetelem Banque (BNP Paribas Gruppe) in Frankreich, wechselte er 1999 zur Société Générale Group. Von 1999 bis 2004 war er bei der italienischen Tochtergesellschaft Fiditalia als Manager für die Bereiche Marketing und Direktvertrieb verantwortlich. Im Januar 2005 kam er als Direktor Consumer Finance zur Hanseatic Bank, einer Tochtergesellschaft der Société Générale Group und der Otto Group. Nach der Gründung der Hanseatic Service Center GmbH 2006 übernahm er zusätzlich die Position des Geschäftsführers der Servicegesellschaft. Im Juli 2010 wurde er zum Geschäftsführer der Hanseatic Bank berufen und verantwortet die Bereiche Vertrieb, Marketing und IT. (Bild: Hanseatic Bank)
Als VP Europe ist Katharina Lüth verantwortlich für die internationale Skalierung und das Management der nicht deutschsprachigen Raisin Plattformen, die Kunden aus der gesamten europäischen Union bequemen und einfachen Zugang zu höheren Zinsen und attraktiven Sparprodukten bieten. Zusätzlich ist sie Chairwoman Raisin UK und somit auch für den englischen Markt zuständig. Bevor sie bei Raisin anfing, verbrachte sie sieben Jahre bei McKinsey & Company. Als Seniorprojektleiterin beriet sie vor allem große europäische Universal- und Privatbanken zu den Themen Asset Management/Private Banking, Pricing, Beratungskonzepte, und Lean Transformation. Kernprojekte waren unter anderem die gesamthafte Transformation einer großen europäischen Bank, die Entwicklung von Beratungskonzepten und Strategien für mehrere Privatbanken und Asset Manager nach der Finanzkrise sowie die pan-europäische Analyse von Einlagenprodukten. Katharina Lüth war vor allem in Europa aber auch in Lateinamerika und Afrika tätig. Sie hat einen MBA der IESE Business School sowie einen BSc. in International Business mit Vertiefungsrichtung Finance von der Northeastern University, MA und der Hochschule Reutlingen. (Bild: Raisin)
Sandra Ficht leitet bei Capgemini Invent den Bereich Digital Banking & Payments für Central Europe. Sie begleitet Banken bei der digitalen Transformation, darunter sowohl internationale Großkonzerne als auch lokale Geldhäuser. Dabei geht es häufig um die Digitalisierung des Kundenkontaktes, den Aufbau digitaler Ökosysteme sowie die durchgängige Prozessautomatisierung. Sandra Ficht bringt mehr als 14 Jahre Berufserfahrung in der Finanzdienstleistungsbranche mit. (Bild: Capgemini)