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Routinearbeiten lassen sich gut durch Automatisierungstechnologie erledigen. Unternehmen erzielen aber vor allem einen Mehrwert, wenn sie ihre Mitarbeiter dann für neue Tätigkeiten qualifizieren.
Wenn der Logistikdienstleister DHL Global Forwarding früher per Flugzeug Fracht von Unternehmenskunden verschickte, verfolgten mehrere Personen am Boden den Flugverlauf an ihren Computerbildschirmen. Ist das Flugzeug pünktlich gestartet – und wird es den Zielflughafen auch zur berechneten Zeit erreichen? Sobald sich eine Verzögerung anbahnte, informierten die Mitarbeiter die empfangenden Unternehmen darüber. „Diese Aufgabe war sehr eintönig und repetitiv“, erklärt Frank Schüler, Managing Director Global Service Center bei DHL Global Forwarding in Bonn. „Deshalb haben wir uns entschieden, sie zu automatisieren.“ Mittlerweile verschickt ein Roboter die Verspätungs-Infos automatisch an die Empfänger, und die Mitarbeiter haben mehr Zeit, sich um komplexere Aufgaben zu kümmern, zum Beispiel den Weitertransport der Fracht zu organisieren.
Immer mehr Unternehmen automatisieren Teile ihrer Geschäftsprozesse – und das in vielen verschiedenen Branchen. „In Produktions- und Fertigungsbetrieben ist die Automatisierung längst Normalität“, erklärt Volker Darius, Head of Corporate Excellence and Transformation bei Capgemini Invent, der Innovations- und Transformationseinheit des Beratungsunternehmens Capgemini. „Nun halten Automatisierungstechnologien in Form von Software, Algorithmen und Robotik zunehmend auch in der Servicebranche Einzug.“ Darius ist sich sicher: „Jedes Unternehmen kann wenigstens einen Teilbereich automatisieren.“
Die Vorteile liegen auf der Hand: Wer auf Automatisierung setzt, kann Kosten senken, die Qualität erhöhen und gleichzeitig schneller als zuvor auf Nachfrageschwankungen reagieren, da sich dank Robotern Prozesse in Unternehmen flexibel skalieren lassen. Es gilt allerdings: Prozessautomatisierung bietet nur den Unternehmen einen Mehrwert, die nicht nur Maschinen installieren – sondern auch Menschen fördern und ihnen wertschöpfende Aufgaben geben.
Unternehmen, die ihre Prozesse oder einen Teil davon automatisieren wollen, lernen schnell, dass sie dabei drei Ebenen unterscheiden müssen. Zunächst lassen sich Plattformen, auf denen alle Geschäftssysteme eines Unternehmens zusammenlaufen, automatisieren. Dann können Unternehmen Prozesse und schließlich Benutzerschnittstellen automatisieren. „Prozesse, die hohe Volumina aufweisen, auf klaren Regeln basieren und wiederkehrend auftreten, können schnell und einfach automatisiert werden“, weiß Darius.
Anders verhält es sich mit kreativen Prozessen, denn Maschinen fällt es schwer, nicht-vorgegebene Lösungen zu finden, also zum Beispiel Schriften zu erkennen oder E-Mails zu sortieren. Zudem gilt: „Unternehmen, die Teile ihres Geschäfts automatisieren wollen, sollten zunächst festlegen, welches Ziel sie damit verfolgen und erreichen wollen“, sagt Darius. Wer dabei nicht strukturiert vorgeht, macht manch einen Arbeitsablauf in der Firma womöglich ineffizienter als zuvor.
Beim Speditionsarm von Deutsche Post DHL Group hat sich Schüler zunächst um Standardprozesse gekümmert. Neben dem Tracking der Luftfracht-Daten in der Logistik fiel ihm auch Automatisierungspotenzial in der Buchhaltung des Freight Forwarding Bereichs auf. Früher glichen die Mitarbeiter dort manuell ab, ob die Angaben auf Rechnungen mit denen auf den Zahlungsaufträgen übereinstimmen. Heute übernimmt das eine Software – während die Mitarbeiter nun mehr Zeit haben, sich intensiver um die Analyse von Daten zu kümmern. „Unsere Prozessautomatisierung basiert immer auf Technologie und Menschen“, erklärt Schüler. „Beide Faktoren sind für uns Arbeitskräfte mit eigenen Qualifikationen, die wir im Zuge der Automatisierung miteinander kombinieren.“
Das heißt: Wer automatisieren will, darf die Menschen nicht auf der Strecke lassen. „Automatisierung bedeutet viel Positives“, sagt Darius von Capgemini. Insbesondere die Mitarbeiter müssten dies verstehen und akzeptieren. „Nur wenn es eine gesellschaftliche Akzeptanz gegenüber der Automatisierung gibt, verfügen Unternehmen über Mitarbeiter, die damit umgehen können und wollen.“ Außerdem gilt: Computer werden nie das gesamte Aufgabenspektrum eines Menschen übernehmen können, sondern ihn nur bei der Erfüllung von Teilaufgaben unterstützen. „Wir nennen das ‚Augmented Workforce‘, also eine Erweiterung der Fähigkeiten der Mitarbeiter oder auch einfach ‚Co-Bots‘, weil es um eine sinnstiftende Koexistenz geht“, erklärt Darius.
Wenn Akzeptanz geschaffen ist, gilt es ins sogenannte Upskilling zu investieren. Denn Automatisierung kann die Produktivität in Unternehmen nur erhöhen, wenn Firmen ihre Mitarbeiter entsprechend weiterbilden und fit für den Umgang mit den neuen Automatisierungswerkzeugen machen. Das zeigt eine Studie des Capgemini Research Institute aus dem vergangenen Jahr. Jedoch geben fast 60 Prozent der befragten Führungskräfte und Personaler zu, dass sie die Auswirkungen von Robotern auf ihre Belegschaft in ihrer Automatisierungsstrategie kaum berücksichtigen.
Rund die Hälfte von ihnen überlegt noch, welche Aufgaben ihre Mitarbeiter, die durch die Automatisierung ihren vorherigen Job verlieren, übernehmen können. Das muss sich ändern: „Nicht nur Unternehmen, sondern die ganze Gesellschaft trägt die Verantwortung, dass sie Menschen zum richtigen Umgang mit Maschinen befähigt“, sagt Darius. „Es ist unsere Chance und zugleich unsere Pflicht, uns auf dem Gebiet weiterzubilden.“
Bei DHL Global Forwarding wurden die Mitarbeiter früh über die anstehenden Prozessautomatisierungen informiert und darauf vorbereitet. In Workshops und Seminaren haben sie schnell gelernt, dass sie keine IT-Profis mit Codier-Fähigkeiten sein müssen, um die Software, Algorithmen und Robotern in ihrem Arbeitsalltag zu integrieren. „Wir haben ihnen beigebracht, in Prozessen zu denken, wie sie diese kreieren und optimieren können“, erklärt Schüler. „Seither erleben sie Automatisierung bei uns als etwas Positives und als Chance, sich selbst weiterzuentwickeln und ständig etwas Neues zu lernen.“